MENU

Anzeige: SCHNELL Finest Training SystemAnzeige: SchuppAnzeige: TruggeAnzeige: Opta DataAnzeige: Opta Data

Well & Fit

02.03.2024 | Jennifer Josl

Faszientraining im Groupfitness

Noch vor zehn Jahren bestanden die meisten Faszienfitnesskurse in erster Linie aus Ausrollen mit der Faszienrolle. Im Interview berichtet Faszienexpertin Nici Mende über neue Erkenntnisse und Entwicklungen aus der Faszienforschung und gibt uns Tipps für die Integration von Faszientraining in Groupfitnessstunden.

©Shutterstock_1470477773

Jennifer Josl: Gab es in den letzten Jahren neue Erkenntnisse in der Faszienforschung?

Nici Menden: Neue Messgeräte wie zum Beispiel das Myoton geben sehr gute Informationen zu Gewebesteifigkeiten bzw. Muskelspannung. Eigentlich ein recht einfaches, sehr nützliches Prinzip bei dem ein Druckwiderstandsmesser in die gewünschte Körperregion gehalten wird und ein schnelles Ergebnis abgelesen werden kann. So hat die Forschungsgruppe um Y. Zhang einen interessanten Artikel zu Thema „Einfluss unterschiedlicher isometrischer Rumpfstreckintensitäten auf die Muskelsteifigkeit der Lenden- und unteren Extremitäten“ veröffentlicht. Auf Deutsch, sie untersuchten die myofasziale Spannung bei verschiedenen Ausführungen der klassischen Hyperextension. Was kam heraus? Kurz und knapp, die Steifigkeit der myofaszialen Partner unterschied sich je nach Übungsintensität. Der Rückenstrecker (M. erector spinae) reagierte bei niedriger Übungslast deutlich fester als seine kinetischen Partner, die untersuchten Beinbeuger Mm. semitendinosus und biceps femoris und der Wadenmuskel (M. gastrocnemius). Bei moderater Last nahm die Steifigkeit bei allen Partnern ab, besonders jedoch beim Rückenstrecker. Was hat das mit Faszien zu tun? Viel, denn Muskulatur kann nur gut kontrahieren, wenn der Gewebemantel dies zulässt und die nervale Ansteuerung passt. Im Rückenbereich führt ein Kanal aus Knochen (Wirbelsäule) und Gewebe (u.a. Lumbalfaszie) den Rückenstrecker. 

Jennifer: Anfangs bestanden viele Faszienkurse lediglich aus Übungen mit der Faszienrolle – Inwiefern hat sich das geändert? 

Nici: Ich denke, wer sich auf die Rolle reduziert, verschenkt wertvolle Kapazitäten. Reduziert meine ich nicht negativ, die Rolle ist ein nützlicher Aspekt von vielen. Faszien allein trainieren zu wollen geht aber nicht. Sie „leben“ nicht allein in unserem Körper, benötigen Druck- und Zugmomente sowie eine hohe Wahrnehmungsförderung. Ein gutes Kursmodell wäre nach meiner Ansicht eine Kombination aus diesen Komponenten. Ein Warm-Up mit Mobilisieren der Fußregion gefolgt von der ganzheitlichen Aktivierung der myofaszialen Linien. Das hat erstmal nur wenig mit Rollen zu tun und doch ist es hochgradig faszienorientiert. Der Kurshauptteil könnte dann ein Mix aus reaktiven - geschmeidigen Bewegungsabläufen und auch kraftzehrenden Vordehnungsübungen sein bei den sich der Muskelbauch (Muskelfaszie und Epimysium) in der Überstreckung spannen muss. Der Abschluss könnte mit entspanntem Rollen mit passender Dehnung (in die Schwerkraft arbeiten hilft, die Faszien gut zu fördern) und Wahrnehmung den Kurs abrunden. 

Jennifer: Wie unterscheidet sich faszienorientiertes Training von anderen Trainingsformen beziehungsweise welche Überschneidungen gibt es?

Nici: Es geht um den Anspruch an die kollagenen Strukturen und die Erkenntnis, wie der Körper mit verschiedenen Reizen umgeht. Die Neurotrainingseinheiten beinhalten einen Fokus auf die nervalen Steuerungsmodelle. Betrachten wir das Spiel nüchtern, bedienen sich beide Konzepte zu Teilen aus Bewegungsmodellen, die der funktionellen Gymnastik ähneln. Ein Beispiel wäre der klassische Finger-Boden-Abstand (FBA), der sich mit verschiedenen „Tricks“ von jetzt auf gleich verringern lässt. Die „Faszienfraktion“ bezeichnete es lange eine Reaktion auf die myofasziale Kette, aber erst die neuronalen Reizimpulse erklären ohne Lücke, warum dieser „Zauber“ möglich ist. So oder so, es gehört doch irgendwie zusammen, richtet sich kurstechnisch aber nach dem Fokus der Ausführung/Zielsetzung. Überschneidungen wie der FBA-Trick führen zu einem größeren Bewegungsradius, die man sogleich nutzen sollte. Bedeutet, kann ich nach einem neuronal angesteuerten Trick besser in eine tiefe Kniebeuge gehen? Ja, dann mal los. Jetzt ist der Punkt sich zu entscheiden, arbeite ich auf muskuläre Kraft wie die Neuroathletik es gern tut oder möchte ich die Gewebestrukturen geschmeidig trainieren und eventuell die myofaszialen Partner der Rücken-Bein-Kette faszial fördern? Das ist der Unterschied, der sich nach meiner Auffassung zeigt. Was soll mein Trainingsziel sein? Ansteuerung und Leistungskapazität des Muskels oder faserförderliche, wahrnehmende Bewegungsmodelle für gesunde Faszien, die sicherlich mit der Leistungskapazität auch etwas zu tun haben aber nicht in die Kategorie Krafttraining oder Ansteuerung passen.

Jennifer: Welche Bewegungs-/Übungsformen nutzt Du in Gruppenkursen?

Nici: Da ich mich auf Bewegungsschmerz fokussiere, zeigt sich in meinem Berufsfeld eine starke Tendenz, dass sich die faszialen Verdichtungen als Übeltäter (Schmerzauslösender Faktor) zeigen. So liegt mein Fokus deutlich auf Schlichtung durch gesunde Faserförderung, bevor ich Leistung vom darin eingebetteten Muskel erwarte. Im Kurs heißt es für mich, emphatisch und fachlich kompetent funktionelle Bewegungsmuster zu erarbeiten. Mein Fokus ist das Ziel, meine Kundinnen und Kunden mit einem Lächeln auf dem Gesicht in eine funktionelle Kniebeuge zu begleiten, die obendrein schmerzfrei gelingt.

Jennifer: Kannst Du Benefits des Faszientrainings nennen?

Nici: Faszien lieben Bewegungen in alle möglichen Richtungen, sie brauchen die langen Muskelketten und endgradige Bewegungen für das eigene „Turn-Over“, also die Fasererneuerung. Das kann ein faszienorientiertes Training wirklich gut fördern. Auch die Rolltechniken haben viele Vorteile, zu nennen wäre hier vielleicht, dass die aktive Eigenmassage (zum Beispiel Rollen) der oberflächlichen Gewebestrukturen eine Flut an Informationsaustausch hervorbringt, der erheblich zur Selbstheilung beitragen kann. 

Ich empfehle bei Schmerzproblematiken das schmerzarme Rollen. Meine Erfahrung zeigt hier deutlich bessere Ergebnisse als es die schmerzsuchende oder besser aushaltende Variante tat. Resilienz und Regeneration/Rehabilitation, also Krisenbewältigung und Wiederaufbau wären die Schlagworte für die Frage nach dem Nutzen. Allerdings wäre die Prävention dann schon ein bisschen beleidigt. Die gehört auch dazu und stünde in Poleposition für „Schmerz, kenn ich nicht.“

Jennifer: Auf was sollte der Kursleiter achten?

Nici: Kompetenz und Empathie. Irgendwie glaube ich, das macht das Training kurzweilig und gesund. Natürlich sollte jedem die eigene Authentizität am Herzen liegen, aber wer sich als Coach nicht weiterbildet, spielt doch irgendwie mit der Gesundheit seiner Gruppe. Oder sehe ich das zu drastisch? Ich denke es ist wichtig, die Kompetenzgrenzen einzuhalten, Schmerzen sind Warnsignale, diese gilt es zu beachten und nicht zu triggern. Lieber mutig sein und ans medizinische Netz weiterempfehlen. Diese Menschen kommen dann gerne wieder und fühlen sich sicher aufgehoben.

Jennifer: Welche Kleingeräte eigenen sich außer der Rolle noch?

Nici: Na, da muss ich natürlich auf meinen Ball hinweisen, oder ein ähnlich geartetes Produkt wie ein Gymnastikball (16cm). Mit diesen kann man sehr gut multidirektional rollen und mit unterschiedlichen Druckstärken arbeiten. Mein Fascial-Coach-Ball hat eine leicht klebrige Haptik, die zudem die Haut leicht zupfend stimulieren kann. Bei zupfend wäre auch das Cupping nennenswert. Ich arbeite sehr gern mit den Bella Bambi© Cups, sie eignen sich zudem auch als sanftes Triggertool. Wem das nicht reicht, diverse Triggertools und Massagepistolen finden sich in reichlicher Anzahl auf dem Markt. Ich benutze im Personal-Coaching gern die vibrierenden Helfertools, allerdings immer mit dem Ansatz, sanfte Stimuli vor tiefer fester Massage. Ich bin nicht sicher, wie stark die Reizsetzung auf die oberflächlichen Gefässsysteme (Venensystem) ist. Zumal lade ich hiermit herzlich dazu ein, eine vorliegende Verspannung erst einmal in der Nachbarregion eher sanft zu stimulieren. Das Ergebnis ist oftmals überraschend lösend. Solange sich die Verspannung nicht als deutlich tastbaren Knubbel (Hartspanstrang) im Muskel zeigt, reagieren die vibrationsfreudigen Rezeptoren und entspannen auch ohne schmerzhafte Pressattacken. Fühlt sich das Gewebe frei an, sollte es funktionell bewegt werden, damit es sich an seine funktionellen Aufgaben erinnert. Das können wir gut leisten, für fortgeschrittene medizinische Therapieansätze sind wir als Coach nicht befugt.

Jennifer: Vielen Dank für das Gespräch mit Dir. #

Über Nici Mende

Die Interviewpartnerin ist Dipl.-Trainerin med. Fitness und arbeitet als Trainerin, Referentin und Autorin in Lübeck. www.fascial-coach.de

Sie ist Autorin des Buches „Nici Mende: Praktische Funktionelle Anatomie“, 2021 erschienen im Riva Verlag.

 

 


Autor

Jennifer Josl

Gastautorin Freie Fachredakteurin

{B_NAME}

‹ Zurück
Werbebanner
Video: {HEADLINE} Video: {HEADLINE} Video: {HEADLINE} Video: {HEADLINE}

Premiumpartner

Anzeige: SchuppAnzeige: TruggeAnzeige: SCHNELL Finest Training SystemAnzeige: Opta DataAnzeige: Opta Data

Jetzt Partner werden

© 2022 Fitness

Kontakt | Datenschutz | Impressum

Coming soon!