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13.10.2023 |
Seiltanz auf dem Wasser
Alice Baumann ist in den 1960er-Jahren eine der erfolgreichsten Wasserskifahrerinnen der Welt. Eine erfrischende Fotoreportage aus der Pionierzeit des Wassersports.
©Eric Bachmann
Es sind spektakuläre Bilder, die der Fotograf
Eric Bachmann im Sommer 1962 auf
dem Zürichsee aufnimmt: Sie zeigen die
Wasserskifahrerin Alice Baumann beim
Training für die bevorstehenden Europameisterschaften.
Ob dynamisch in der Kurve, im Sprung in
der Luft oder an nur einem Bein gezogen: Es wird
klar, dass hier eine Spitzensportlerin am Werk ist.
Alice Baumann ist damals bereits mehrfache
Schweizermeisterin im Wasserski. Obwohl sie an der
EM jenes Jahres keinen Spitzenplatz belegen sollte,
wurde sie später Europameisterin und zweifache
Bronzemedaillengewinnerin an den Weltmeisterschaften
von 1963. Ein Jahr später gewann sie sogar
als erste Ausländerin das „All Star Open“ in San
Diego. Ein großer Erfolg, ist doch das Wasserskifahren
damals wie heute von Fahrerinnen und Fahrern
aus den Vereinigten Staaten dominiert.
Alice Baumann ist Mitglied des Wasserski-Clubs
Cham. 1947 gegründet, gehört er zu den ältesten
Wasserski-Clubs der Schweiz und ist einer der
erfolgreichsten. „Der glänzendste Stern unter unseren
Wettkämpfern“ sei Alice Baumann gewesen,
heißt es in einem Bericht des WS Cham, der dem
Fotodossier von Eric Bachmann beiliegt. Alice Baumann
ist allerdings nicht die einzige Wasserski-
Sportlerin, die es zu internationalem Ruhm brachte.
Die Genferin Marina Doria gewann 1955 und 1975
vier Weltmeistertitel. Später heiratete sie den italienischen
Prinzen Viktor Emanuel von Savoyen und
durfte sich Prinzessin von Neapel nennen. Für die
Illustrierten und Tourismuswerbungen jener Zeit
verkörperten Athletinnen wie Marina Doria und
Alice Baumann perfekt das Bild der nixenhaften
Sportlerinnen, die ohne scheinbare Mühe über das
Wasser gleiten. Wasserski war demnach in den späten
1950er- und den 1960er-Jahren nicht nur eine
beliebte Breitensportart, sondern bot auch Frauen
die Gelegenheit, sich auf hohem Niveau sportlich zu
messen.
Die Ursprünge des Sports liegen etwas mehr als
100 Jahre zurück in den USA. Als Erfinder des Wasserskis
gilt der Amerikaner Ralph Samuelson. 1922
gelang ihm in Lake City, Minnesota, auf selbstgezimmertes
Wasserski der erste Ritt auf der Oberfläche
des Lake Pepin. Nach einigen Stürzen und Fehlversuchen
verbesserte Samuelson seine Technik und
bot sogar Shows vor Publikum an. Darin zeigte er
Weitsprünge über eine Schanze und bretterte, gezogen
von einem Wasserflugzeug, mit 130 km/h über
das Wasser. Seine Erfindung ließ er nie patentieren
und gab den Sport nach einer Verletzung auf, doch
sein Heimatort gilt noch heute als „Geburtstort des
Wasserskis“. Bei der internationalen Entwicklung der
Sportart spielte auch die Schweiz eine Rolle: Der
Internationale Wasserski Verband wurde 1946 in
Genf gegründet mit dem Schweizer André Coutau als
Präsident.
Zurück auf den Zürichsee: In der Blütezeit des Wasserskis
in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden
immer mehr Wasserskiclubs, Hotel boten den
Sport ihren Gästen als Zeitvertrieb an und auf den
Schweizer Seen waren Wasserskiakrobatinnen und
-akrobaten ein gewohntes Bild, auch auf dem
Zürichsee. Heute sind die klassischen Wasserskier
weniger zu sehen. Wer Zugang zu einem Motorboot
hat, kann zwischen Wasserski, Wakeboarding oder
Wakesurfing wählen. Entscheidend für das Verschwinden
des Wasserskis ist aber wohl die Vielfalt
des Angebots für das Vergnügen auf dem Wasser
ohne Motorboot: Kitesurfing, Stand-Up-Paddeling,
Rafting, Rudern oder der letzte Schrei: Hydrofoil Surf,
bei dem man auf einem Brett mit Tragflügelgel über
das Wasser gleitet.
Autor dieses Artikels ist Alexander Rechsteiner, STV.
Leiter Marketing und Kommunikation des Schweizerischen
Nationalmuseums. „Seiltanz auf dem Wasser“
ist im Juli 2023 auf dem Blog des Schweizerischen
Nationalmuseums erschienen. Dort finden Sie
mehrmals wöchentlich spannende Stories zur
Geschichte der Schweiz. Die Themenpalette reicht
von den alten Römern über Auswanderer-Familien
bis hin zu den Anfängen des Frauenfußballs.
blog.nationalmuseum.ch #
Die Bilder von Alice Baumann stammen vom
Schweizer Fotografen Eric Bachmann (1940
bis 2019). Er realisierte zahlreiche Reportagen
im In- und Ausland und porträtierte unzählige
Persöhnlichkeiten des 20. Jahrhunderts wie
Muhammad Ali, Friedrich Dürrenmatt, Bob
Marley, Astrid Lindgren und viele mehr. Sein
Archiv wird in Kaiserstuhl aufbewahrt und ist
unter ericbachmann.ch teilweise digital
zugänglich.
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