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26.08.2024 | Susanne Neumann
Hoch zu Ross
Olympia 2024, ich sehe die Einzel Grand Prix Kür von Jessica von Bredow-Werndl in der atemberaubenden Kulisse des Schlossparks von Versailles. Grazie, Anmut, Eleganz, Leichtigkeit lassen vergessen, wieviel Training und Schweiß hinter so einer Leistung steht. Das Ergebnis: Gold!
©Volker Dinter: Dana Jakob auf Flitzi
Ich frage mich, wie es um den Reitsport steht – ist es die Exklusivität, die mit dem Erfolg einhergeht, oder hat dieser Sport längst die breite Masse erreicht? Wie steht es um die Attraktivität eines Sportes, bei dem es zu 70 Prozent um die Hege und Pflege des Sportkameraden, nämlich des Pferdes, geht? Ich treffe mich zum Gespräch mit Esther Jakob, Reit-Richterin und leidenschaftliche Reiterin seit frühster Kindheit.
Susanne Neumann: Esther, seit wann reitest du oder besser gesagt, wie hat alles angefangen?
Esther Jakob: Als ich Kind war, hat meine Mutter den Reitsport schon ausgeübt, und ich war natürlich auch begeistert von Pferden. Somit habe ich automatisch schon in sehr jungen Jahren das erste Mal auf einem Pferd gesessen. Glamourös war das aber nicht, meine Freundin und ich sind mit einem Fahrrad zum Stall gefahren, eine radelte, die andere hinten drauf. Aber das Hobby hat mich nicht mehr losgelassen. Mittlerweile bin ich 62 Jahre alt und immer noch mittendrin. Der Schwerpunkt hat sich verlagert. Ich gebe Unterricht und bin als Reit-Richterin aktiv.
Würdest du sagen, dass es ein Hobby der Upper Class ist oder ist der Reitsport für jedermann zugänglich?
Früher war das so, heute nicht mehr, würde ich sagen. Es gibt heutzutage mehr Möglichkeiten. Nicht unbedingt muss direkt ein eigenes Pferd her, es gibt Reit-Beteiligungen oder Pferde, die für Schüler zur Verfügung gestellt werden. Auch muss es nicht sofort ein Pferd aus einer Premium-Zucht sein, die Range ist da heutzutage breiter, was den Zugang für Interessierte einfacher macht.
Wie lange muss ich trainieren, bis ich von mir behaupten kann „ich kann reiten“ oder „ich bin eine gute Reiterin“? Oder ist da nach oben keine Grenze gesetzt und man muss ständig an sich mit dem Pferd arbeiten – so wie ein gutes Team?
Das Lernen hört nie auf! Man darf nicht außer Acht lassen, dass zwei Lebewesen versuchen, eine optimale Einheit zu bilden. Niemand ist immer nur gut drauf und kann Höchstleistungen abrufen und hier sprechen wir von einem Team – Mensch und Pferd.
Wer in dieses Hobby ernsthaft eintaucht, ist täglich viele Stunden damit beschäftigt.
Vor einigen Jahren hast du dich dazu entschieden Reit-Richterin zu werden. Was hat dich zu diesem Schritt animiert?
Es hatte mich schon längere Zeit gereizt, Reit-Richterin zu werden. Irgendwann war es dann so weit und ich habe die Prüfung zur Reit-Richterin angetreten und abgelegt. Es macht mir Spaß, vor allem in den Sommermonaten, bin ich bundesweit unterwegs und richte über das Können der jungen Talente. Ich richte Reitabzeichen 3 bis 10 in den Disziplinen Dressur- und Springreiten.
Wenn du deine Anfänge zu Pferd betrachtest und die heutige Zeit, was hat sich verändert? Sind die Schülerinnen und Schüler heute anders?
Es gibt zwei große Veränderungen würde ich sagen. Zunächst einmal müssen Eltern mit den Kindern an einem Strang ziehen. Das bedeutet nicht, dass man sein Kind am Stall absetzt und nach drei Stunden wieder abholt. Die Eltern sollten sich mit einbringen. Das passiert heute leider nicht mehr so, wie es erforderlich ist. Vielleicht ermöglicht die gesellschaftliche Entwicklung nicht mehr, dass Eltern viel Zeit auf das Hobby des Kindes verwenden. Aber um ein ernsthaftes Ziel zu erreichen, ist das eine Notwendigkeit.
Dann gibt es eine große Veränderung in der Herausforderung und im Durchhaltevermögen. Heute muss alles schnell gehen. Man probiert nicht lange aus, ob Ross und Reiter zueinander finden. Wenn‘s nicht passt, wird ein neues Pferd angeschafft und das ursprüngliche veräußert, weitergegeben oder auf die Weide gestellt. Der lange Atem fehlt.
Gibt es eine Altersgrenze, wann man sagt „Es hat keinen Zweck mehr mit diesem Hobby zu starten“?
Die Arbeit am und mit dem Pferd ist vielfältig und man kann sich in unterschiedlichen Betätigungen einbringen. Ob man, wenn man mit 50 Jahren startet, noch ein erstklassiger Dressurreiter wird, kann ich nicht sagen. Wenn man älter wird, hat man ein anderes Kopfkino als im Alter von zehn Jahren. Wenn ich mit 50 vom Pferd falle, können die Blessuren anders ausfallen. Vielleicht muss man sich zunächst fragen, wo soll die Reise hingehen?
Wie steht es um das Geschlechterverhältnis, sind es nach wie vor mehr Mädel, die sich für diesen Sport erwärmen?
Tatsächlich sind es nach wie vor mehr Mädels, die sich für den Reitsport interessieren. Als Richterin freue ich mich immer, wenn ich männlichen Nachwuchs bemerke.
Sicherlich hast du schon von dem Trend „Hobby Horsing“ aus Skandinavien gehört. Was ist deine Meinung dazu? Könnte das eine Art Vorstufe sein, um sich für den Reitsport mit echten Pferden zu begeistern, oder sind das zwei Paar Schuhe?
Hobby Horsing ist sicherlich etwas Positives, wenn man Kinder dazu animieren kann sich zu bewegen. Aber als Vorstufe für den Reitsport sehe ich es nicht. Ein Pferd ist ein Lebewesen und der Umgang damit ist doch gänzlich anders als Parcours-Sprünge auf einem Steckenpferd.
Kommen wir einmal zum fast wichtigsten Teil dieses Hobbys, dem Pferd. Wie viele Pferde besitzt du aktuell?
(lacht) Es gibt alte Weggefährten und Neuzugänge, aber insgesamt sind es momentan fünf Pferde.
Wie ausgewogen ist das Verhältnis zwischen Reiten und das Pferd versorgen? Geht das automatisch einher oder haben Anfänger in dieser Hinsicht manchmal falsche Vorstellungen?
Ich würde sagen, das Verhältnis ist nicht ausgewogen. Mehr Zeit entfällt auf die Hege und Pflege des Pferdes. In der Regel befindet man sich nicht an einem elitären Elite-Stall, wo man das gesattelte Pferd überreicht bekommt. Anfänger unterschätzen oftmals das zeitaufwendige Drumherum.
Was würdest du interessierten Lesern empfehlen, wie man testen kann, ob der Reitsport etwas für einen ist oder nicht? Wendet man sich an einen Reitverein? Gibt es Schnupper-Events?
Reitvereine bieten Schnupperstunden oder Basis-Kurse an. Diese sollte man auf jeden Fall ausgiebig in Anspruch nehmen, bevor man sich für mehr entscheidet. Zudem freuen sich Reitvereine immer über ernsthaften Nachwuchs.
Esther, vielen Dank für diese Einblicke! #
Im Reitsport gibt es eine Vielzahl von Disziplinen, die verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten von Pferd und Reiter erfordern. Hier sind einige der wichtigsten Disziplinen:
Dressurreiten: Dressur ist eine der klassischsten Disziplinen im Reitsport. Es geht darum, das Pferd durch eine Reihe von vorgegebenen Bewegungen und Figuren zu führen. Ziel ist es, Harmonie und Präzision zu zeigen.
Springreiten: Beim Springreiten müssen Pferd und Reiter einen Parcours mit verschiedenen Hindernissen überwinden. Die Höhe und Komplexität der Sprünge variieren je nach Klasse und Wettbewerb.
Vielseitigkeitsreiten (Eventing): Diese Disziplin kombiniert Dressur, Geländeritt (Cross-Country) und Springreiten in einem Wettbewerb. Es testet die Vielseitigkeit und Ausdauer von Pferd und Reiter.
Westernreiten: Eine Disziplin, die ihren Ursprung in der Arbeit der Cowboys in Nordamerika hat. Zu den Westernreitdisziplinen gehören unter anderem Reining, Cutting, Barrel Racing und Western Pleasure.
Distanzreiten (Endurance Riding): Beim Distanzreiten müssen Pferd und Reiter lange Strecken über schwieriges Gelände in einer bestimmten Zeit zurücklegen. Ausdauer und Fitness stehen hier im Vordergrund.
Voltigieren: Eine Art des Turnens auf dem Pferd. Voltigierer führen akrobatische und gymnastische Übungen aus, während das Pferd an der Longe im Kreis läuft.
Fahren: Diese Disziplin beinhaltet das Lenken eines Pferdegespanns. Es gibt verschiedene Klassen, darunter Einspänner, Zweispänner und Vierspänner. Die Wettbewerbe umfassen Dressurfahren, Geländefahren und Hindernisfahren.
Trabrennen und Galopp rennen: Bei diesen Rennen geht es darum, möglichst schnell eine vorgegebene Strecke zu absolvieren. Trabrennen finden im Trab statt, während Galopprennen im Galopp ausgetragen werden.
Polo: Ein Mannschaftssport, bei dem Reiter versuchen, einen Ball mit einem langen Schläger ins gegnerische Tor zu schlagen. Es wird in Teams gespielt und erfordert schnelle Reflexe und Präzision.
Jagdreiten: Diese Disziplin simuliert die traditionelle Fuchsjagd. Reiter folgen einer festgelegten Route über verschiedene Hindernisse und Geländearten. Es wird oft in Gruppen durchgeführt und kann auch Wettbewerbscharakter haben.
Horseball: Ein Mannschaftssport, der Elemente von Polo und Basketball kombiniert. Die Spieler versuchen, den Ball ins gegnerische Tor zu werfen, während sie auf dem Pferd sitzen.
Diese Liste ist nicht vollständig, aber sie umfasst die gängigsten und bekanntesten Disziplinen im Reitsport. Jede Disziplin hat ihre eigenen Regeln, Techniken und Anforderungen, die spezifische Fähigkeiten von Pferd und Reiter erfordern.
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Reitabzeichen, die von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) angeboten werden. Diese Abzeichen sind in verschiedene Stufen unterteilt und bieten Reitern die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen des Reitsports nachzuweisen. Hier ist eine Übersicht über die gängigen Reitabzeichen:
N-Reitabzeichen (RA)
Reitabzeichen 10 (RA 10) bis Reitabzeichen 6 (RA 6) Diese Abzeichen richten sich an Einsteiger und Kinder. Sie beinhalten grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit dem Pferd und in der Reitpraxis.
Reitabzeichen 5 (RA 5) Früher als „Kleines Reitabzeichen“ bekannt, erfordert dieses Abzeichen solide Grundkenntnisse im Dressur- und Springreiten sowie im Umgang mit dem Pferd.
Reitabzeichen 4 (RA 4) Dieses Abzeichen baut auf dem RA 5 auf und erfordert fortgeschrittene Kenntnisse und Fertigkeiten im Dressur- und Springreiten.
Reitabzeichen 3 (RA 3) Das RA 3 erfordert eine noch höhere Fertigkeit in Dressur und Springen. Hier werden bereits Anforderungen an fortgeschrittene Reiter gestellt.
Reitabzeichen 2 (RA 2) Früher als „Silbernes Reitabzeichen“ bekannt, ist das RA 2 für sehr fortgeschrittene Reiter. Es beinhaltet anspruchsvollere Dressur- und Springprüfungen sowie Theorie prüfungen.
Reitabzeichen 1 (RA 1) Das höchste Reitabzeichen, früher als "Goldenes Reitabzeichen" bezeichnet, erfordert sehr hohe Fähigkeiten und umfangreiche Erfahrung im Dressur- und Springreiten. Es ist für Spitzenreiter vorgesehen.
Weitere Abzeichen:
Pferdeführerschein Umgang Ein Einstiegsabzeichen, das grundlegende Kenntnisse über den Umgang mit dem Pferd, Pferdepflege und -haltung vermittelt. Es ist Voraussetzung für die höheren Reitabzeichen ab 5.
Longierabzeichen (LA) 5 bis 1 Diese Abzeichen sind für Reiter und Ausbilder, die das Longieren von Pferden erlernen oder ihre Fähigkeiten in diesem Bereich vertiefen möchten. Die Stufen reichen von LA 5 (Grundlagen) bis LA 1 (fortgeschrittene Longier techniken).
Voltigierabzeichen (VA) 10 bis 1 Abzeichen für Voltigierer, die ihre Fertigkeiten im Turnen auf dem Pferd nachweisen möchten. Die Stufen reichen von Anfänger (VA 10) bis hin zu fortgeschrittenen Voltigierern (VA 1).
Westernreitabzeichen (WRA) Diese Abzeichen sind speziell für Westernreiter und decken verschiedene Disziplinen des Westernreitens ab. Sie reichen von grundlegenden (WRA 4) bis fortgeschrittenen Fähigkeiten (WRA 1).
Fahrabzeichen (FA) 5 bis 1 Abzeichen für Fahrer, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im Gespannfahren nachweisen möchten. Sie reichen von grundlegenden Fertigkeiten (FA 5) bis zu sehr fortgeschrittenen Fahrkünsten (FA 1).
Abzeichen im Distanzreiten, TREC, und anderen Spezialdisziplinen Es gibt auch spezielle Abzeichen für Disziplinen wie Distanzreiten oder TREC (Techniques de Randonnée Equestre de Compétition), die auf die jeweiligen Anforderungen dieser Reitarten zugeschnitten sind.
Diese Abzeichen bieten eine strukturierte Möglichkeit, die Fortschritte im Reitsport zu dokumentieren und kontinuierlich neue Ziele zu setzen. Sie sind nicht nur ein Nachweis für erworbene Fertigkeiten, sondern auch eine Motivation für Reiter aller Alters- und Leistungsklassen.
Autor
Susanne Neumann
Leitende Redakteurin #FITNESS

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