Nachschlag In Kooperation mit 
15.10.2025 |
Haftungsrisiken beim Kindertraining – Teil II
– insbesondere in personallosen Zeiten. Besonderheiten beim Abholen des Kindes.
Shutterstock:2647522375
In der vorherigen Ausgabe haben wir Sie über eine mögliche Haftung des Studios oder der Sportschule gegenüber dem Kind informiert. Immer häufiger kommt es jedoch auch vor, dass die Minderjährigen selbst – auch während personalloser Zeiten – trainieren und es zu Haftungsfragen kommt. Auch die Haftungsfragen beim Abholen des Kindes werden wir in diesem Artikel näher erläutern. In der nächsten Ausgabe folgt noch zum Abschluss die spannende Frage der Haftung des Kindes oder der Eltern für Schäden, verursacht durch das Kind, sowie die Auflösung des bekanntesten Rechtsmythos „Eltern haften für ihre Kinder“.
I. Haftungsrisiken beim Kindertraining, insbesondere in personallosen Zeiten
1. Haftung des Studios bei trainierenden Kindern und Jugendlichen auf der Trainingsfläche bei Kursen
Insbesondere in Tanz- und Kampfsportschulen ist Kindertraining ein wesentlicher Bestandteil der unternehmerischen Tätigkeit. Auch hier wird eine vertragliche Obhut- und Aufsichtspflicht übernommen, weshalb insoweit auch unsere Ausführungen aus dem Artikel der letzten Ausgabe über die vertraglich angebotene Kinderbetreuung gelten.
Hier ist bei der Durchführung der Übungen sowie dem Inhalt der Übungseinheiten vor allem zu berücksichtigen, dass Kinder beim Training in der Gruppe dazu neigen, unkonzentriert oder übermotiviert zu sein, weshalb die jeweiligen Übungen stets entsprechend altersgerecht durchzuführen sind. Übungseinheiten, die erkennbar die Kinder kognitiv oder motorisch überfordern, sind zu vermeiden. Dies bedeutet, dass besonders bei Kinderkursen der Unterricht alters- und entwicklungsgerecht zu erfolgen hat.
Insoweit lassen sich aufgrund der Individualität der Einzelfälle keine allgemeinverbindlichen Vorgaben formulieren. Im Ergebnis gilt allerdings, dass die Anforderungen an die Aufsichts-Kontrollpflicht steigen,
- je jünger die Kinder sind;
- je gefahrgeneigter die Sportart ist (Kampfsport ist potenziell gefahrgeneigter im Hinblick auf Verletzungsrisiken als etwa der Kindertanz).
Unabhängig davon sind darüber hinaus die über die Kinder gewonnenen Eindrücke der persönlichen Reife maßgeblich. Je auffallender die Kinder sich verhalten (zum Beispiel unkonzentriert, selbst- oder drittgefährdendes Verhalten) und je weniger diese steuerungsfähig sind (reagieren nicht auf Anweisungen), umso höher sind die Anforderungen an die Aufsichtspflicht.
Nach der strafrechtlichen Rechtsprechung lässt jedenfalls die Minderjährigkeit als solche keinen hinreichenden Schluss auf einen eingeschränkten Reife- und Verantwortungsgrad zu. Vielmehr kommt es auf die im Einzelfall erworbenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen in dem fraglichen Bereich an.
Zu empfehlen ist somit, um die eigene Haftung zu reduzieren, die Starttrainingseinheit zu nutzen und den Kenntnis- und Erfahrungsstand des Kindes jeweils individuell zu beurteilen. Weiter ist es ratsam, dies viertel- oder halbjährlich schriftlich neu vorzunehmen und den aktuellen Reifestand der Kinder für etwaige Haftungsfälle nachweisbar dokumentiert zu haben.
2. Haftung des Studios bei trainierenden Kindern und Jugendlichen auf der Trainingsfläche außerhalb von Kursen
Ein weiteres Haftungsrisiko im Zusammenhang mit Fitness-Studios begründet sich in dem Umstand, dass zunehmend Kinder und Jugendliche Vertragspartner werden und damit grundsätzlich unbeaufsichtigt trainieren können. Anders als im Rahmen von Kinderkursen oder einer Kinderbetreuung werden diese minderjährigen „Mitglieder“ nicht vertraglich beaufsichtigt, sodass vertragliche Aufsichtspflichten nicht begründet werden. Gleichwohl ist im Hinblick auf die Verkehrssicherungspflicht zu berücksichtigen, dass das Studio positiv weiß, dass auch Kinder und Jugendliche sich in den Räumlichkeiten aufhalten und trainieren, mithin eine entsprechend eingeschränkte Reifeentwicklung dieser Personengruppe in der Regel vorliegt und daran der Umfang der Verkehrssicherungspflichten anknüpft und sich bestimmt.
Die rechtlich relevanteste Stufe ist die Zeit vor der Vollendung des siebten Lebensjahres und die Zeitspanne ab dem siebten Lebensjahr bis zur Volljährigkeit.
Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres ist das Kind delikts- und geschäftsunfähig. Selbst wenn dies rechtlich nicht zwingend ist, knüpft der Gesetzgeber im Hinblick auf die Übernahmefähigkeit von rechtlicher Verantwortung an die Vollendung des siebten Lebensjahres an, weshalb wir anraten, grundsätzlich keine Kinder unter sieben Jahren außerhalb von Kinderkursen alleine trainieren zu lassen.
Zwischen dem siebten und dem 18. Lebensjahr besteht eine beschränkte Geschäftsfähigkeit beziehungsweise bedingte Deliktsfähigkeit. Damit könnte grundsätzlich ein Kind ab dem siebten Lebensjahr Vertragspartner werden und alleine im Studio an den Geräten trainieren. Gleichwohl ist dies natürlich nicht zu empfehlen, da wir bereits dargestellt haben, dass der Umgang mit der Verkehrssicherungs- und Aufsichtspflicht vor allem vom Alter und der individuellen Reife abhängt. Es gilt auch hier für die Haftung der Grundsatz: Je jünger die Nutzer sind, umso höher ist die Verkehrssicherungs- und damit auch die Aufsichtspflicht.
Im Rahmen der Vertragsgespräche für Kinder oder Jugendliche als Mitglieder mit den Eltern empfehlen wir, die nachfolgenden Schritte zu beachten, welche natürlich auch von dem Alter der Kinder und Jugendlichen abhängen. Insoweit macht es natürlich einen Unterschied, ob ein Zehnjähriger oder ein Siebzehnjähriger trainieren will:
- Weisen Sie zunächst die Eltern auf folgende Umstände hin:
ü dass die Nutzung des Studios bei unsachgemäßer Ausübung zu einem Verletzungsrisiko führen kann;
ü dass das Training grundsätzlich selbstständig und ohne individuelle Aufsicht erfolgt, mithin das Kind unbeaufsichtigt trainiert;
ü dass die Nutzung der Geräte eine gewisse Reife erfordert;
ü dass in jedem Fall ein Probetraining erforderlich ist, damit Sie sich selbst davon überzeugen können, dass und ob das Kind die notwendige Reife hat, das Studio zu nutzen.
- Machen Sie in Zweifelsfällen die Nutzung des Studios durch das Kind davon abhängig, dass ein Elternteil mittrainiert (dies müsste vertraglich ausdrücklich geregelt werden).
- Fragen Sie nach der Größe des Kindes beziehungsweise weisen Sie darauf hin, dass gegebenenfalls bestimmte Geräte größenbedingt zur Nutzung nicht zur Verfügung stehen.
- Weisen Sie bei Vertragsschluss und vorzugsweise auch im Beisein der Eltern oder des Elternteils in die ordnungsgemäße Gerätenutzung ein und sensibilisieren Sie das Kind beziehungsweise den Jugendlichen für besondere Gefahren. Vergewissern Sie sich, dass das Kind oder der Jugendliche auch die Einweisung und Gefahrensensibilisierung verstanden hat. Lassen Sie sich die Durchführung der jeweiligen Übungen von dem Kind oder dem Jugendlichen vorführen.
- Die Mitarbeiter sollten aufgefordert werden, die Trainingsfläche regelmäßig, insbesondere im Hinblick auf trainierende Kinder und Jugendliche sowie die ordnungsgemäße Nutzung, zu kontrollieren.
Tipp:
Mehrere Studios lassen Jugendliche erst ab 14 Jahren allein an den Geräten trainieren. Dies auch, weil bestimmte Geräte eine gewisse Körpergröße und Körperkraft voraussetzen. Jüngere Mitglieder werden nur zugelassen, wenn mindestens ein Elternteil während des gesamten Trainings der Kinder anwesend ist und die entsprechende Aufsicht ausübt. Dies ist keine rechtliche Hürde, sondern vielmehr eine tatsächliche Empfehlung für ein reibungsloses Training.
Da viele Fitness-Studios über Getränkeautomaten verfügen und dort alkoholische Getränke anbieten, ist gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 Jugendschutzgesetz (JuSchG) sicherzustellen, dass durch technische Vorrichtungen oder durch ständige Aufsicht gewährleistet ist, dass Kinder und Jugendliche alkoholische Getränke nicht entnehmen können.
3. Haftung beim personallosen Studiobetrieb
Hier gelten zunächst die gleichen Grundsätze wie bereits dargestellt, dass Kinder und Jugendliche sich in einer unbeaufsichtigten Gruppe häufig wenig bis gar nicht risikobewusst verhalten. Im Gegenteil: Oftmals „heizen“ diese sich noch untereinander auf und verhalten sich trotz mehrfacher Hinweise und Ansprache nicht adäquat.
Auch in personallosen Zeiten könnten Kinder und Jugendliche grundsätzlich trainieren, weil es insoweit kein gesetzliches Verbot gibt, welches dies untersagt. Allerdings sind die Anforderungen an die Verkehrssicherungs- und Aufsichtspflicht sehr hoch, sodass unternehmerisch zu überlegen ist, Kinder und Jugendliche vom personallosen Training auszuschließen oder ihr Training jedenfalls von einem Mindestalter (zum Beispiel mindestens 16 Jahre) abhängig zu machen. Jugendlichen ist es zum Beispiel ab 16 Jahren erlaubt, alleine in Gaststätten zu verweilen (§ 4 JuSchG). Diese gesetzgeberische Wertung kann auch für personallose Studios als Argumentationshilfe herangezogen werden. Es wäre aber auch genauso rechtlich nicht ausgeschlossen, in einem personallosen Studio Mitglieder ab dem 14. Lebensjahr (Strafmündigkeit) oder jünger aufzunehmen. Bedenken Sie aber, dass neben dem Alter auch die individuelle Reife maßgeblich ist.
Auch wenn es kein Verbot gibt, Minderjährige im personallosen Studio allein trainieren zu lassen, empfehlen wir einen restriktiven Umgang damit.
II. [RA1] Besonderheiten beim Abholen des Kindes
Ein bislang unterschätztes Risiko für das Unternehmen wird mit der Frage begründet, wer das Kind aus der Obhut des Studios abholen darf. Diese Frage stellt sich immer dann, wenn das Studio die vertragliche Obhut für das Kind übernommen hat (vor allem im Rahmen des Kindertrainings). Wird das Kind hingegen nur im Rahmen einer Kinderbetreuung von dem Studio beaufsichtigt, stellt sich diese Frage in der Regel nicht, da eine solche Betreuung nur parallel zum Training erfolgt.
Nicht selten wird es vorkommen, dass das Kind etwa von der Mutter gebracht und von einer anderen Person abgeholt wird. Sofern das Kind gebracht und persönlich übergeben wird, muss dieses auch wieder zum Ende des Unterrichts, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde, abgeholt werden. Insoweit darf die Obhut für das Kind auch nur zugunsten einer berechtigten Person übergeben werden.
Wenn das Kind an eine andere Person als die, welche das Kind in Obhut gegeben hat, übergeben wird, sollte geklärt sein, dass die abholende Person auch hierzu berechtigt ist. Der sicherste Weg ist dabei, dass kontrolliert wird, wer das Kind „abgegeben“ hat, und dies bei der Abholung abgeglichen wird. Sollten die Personen abweichen, wäre der sicherste Weg, bei der Person, die das Kind übergeben hat, telefonisch nachzufragen. Da ein solcher Aufwand aber kaum zu bewältigen sein dürfte, kann es sich empfehlen, sich bereits bei Vertragsschluss von dem Elternteil bestätigen zu lassen, wie die Obhut für das Kind enden soll, insbesondere an wen das Kind übergeben werden darf. Hierzu empfiehlt sich ein Muster aus der UnternehmensNavi®, das von den verantwortlichen Eltern auszufüllen ist.
Tipp:
Prüfen Sie, ob Ihre Betriebshaftpflichtversicherung auch etwaige Schäden im Zusammenhang mit der Übernahme der Betreuungspflicht übernimmt, und passen Sie andernfalls Ihren Versicherungsschutz entsprechend an.
Unsere Beratervertragskunden finden im Mandantenbereich der UnternehmensNavi® ein umfangreiches Haftungsskript zu der Thematik mit Mustertexthilfen zu den Handlungsempfehlungen aus dem Artikel sowie weiteren Arbeitshilfen zum Vertragsschluss mit Minderjährigen, zur Haftung im personallosen Studiobetrieb sowie auch zur Verwendung von Videos und Bildern von Minderjährigen.
Autor:
Der Autor Julian Schwerdfeger ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Geisler, Dr. Franke Rechtsanwälte Partnerschaft mbB tätig. Seine Schwerpunkte sind IT-Recht, Äußerungsrecht, Datenschutzrecht, Recht für Fitness-, EMS-, Tanz- und Kampfsportstudios.
‹ Zurück







Coming soon!