Talk about
11.09.2024 | Jennifer Josl
Frauenpower in der Fitnessbranche
Haben alle Talente die gleichen Karrierechancen? Wie können Frauen Führungspositionen erreichen? Wie sind wir aufgestellt?
©www
Die Fitnessbranche ist – in Bezug auf Führungspositionen – eindeutig männerdominiert: Auf den Listen der einflussreichsten Akteure und CEOs finden sich nur sehr vereinzelt weibliche Gesichter, und auch in der C-Level-Ebene- sind nur sehr wenige Frauen vertreten – obwohl im Feld der Trainer, Instruktoren und Sachbearbeiter in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie bei den Solo-Selbstständigen oft mehr Frauen als Männer arbeiten. Was die Gründe für diese Verteilung sind und wie Frauen durch Netzwerke ihre Aufstiegschancen verbessern können, wird in diesem Artikel thematisiert.
Über alle Branchen hinweg sind in Deutschland die Führungsetagen mehr mit Männern als mit Frauen besetzt. Warum das so ist, die Gründe dafür sind vielfältig. Während Frauen sich eher selbst für die ungleiche Verteilung der Geschlechter in den Führungsetagen verantwortlich machen, sehen Männer den Grund vor allem im System und den mangelnden Angebote bei der Kinderbetreuung.
In einer Umfrage der Personalberatung Odgers Berndtson sind rund 2.400 Führungskräften zu dieser Thematik befragt worden. https://www.odgersberndtson.com/de
Bin ich tough genug?
87 Prozent der Frauen zweifeln an ihrer Kompetenz und sehe dies als einen der Hauptgründe für die Ungleichstellung der Frauen auf Führungsebene. Dagegen glauben nur 57 Prozent der Männer, dass diese Selbstzweifel für weniger weibliche Mitarbeitende auf den höheren Ebenen sorgen. Ein noch größerer Unterschied zeigt sich, wenn es um das Präsentieren des eigenen Erfolgs geht. 38 Prozent der Männer glauben, ihre Kolleginnen könnten hier mehr tun – bei den Frauen sehen 80 Prozent die Bewerbung des eigenen Erfolgs als zu gering an. Lernbedarf schreiben sich Frauen zudem zu, wenn es um das Verhandlungsgeschick geht. 60 Prozent der weiblichen Führungskräfte sind der Meinung, sie verhandeln nicht hart genug – nur vier Prozent der Männer stimmen dem zu.
Was Frauen laut vielen männlichen Führungskräften fehlt, ist Machtstreben. Rund ein Drittel nennt diesen Mangel als Grund für die ungleiche Verteilung der Geschlechter auf den höheren Ebenen, bei den Frauen sind es nur 26 Prozent. Gleichzeitig denken weniger als die Hälfte der männlichen Befragten (43 Prozent), dass Frauen in Deutschland noch zu tief in traditionellen Rollenmustern sind. Hier fühlen sich die weiblichen Befragten (72 Prozent) deutlich mehr von entsprechenden gesellschaftlichen Erwartungen zurückgehalten.
Verschiedene Führungsstile
Thema der Umfrage von Odgers Berndtson (s. o.) war auch der individuelle Führungsstil. 50 Prozent der Frauen gaben an, dass ihr Führungsstil von Männern nur schwer akzeptiert würde. Dieser Wahrnehmung scheinen sich nur wenige männliche Manager bewusst zu sein: Nur 20 Prozent gaben an, denselben Eindruck zu haben. Die Analysten von Odgers Berndtson schließen daraus, Frauen würden ihr Potenzial unterschätzen und Männer die weibliche Art zu führen nicht ernstnehmen.
„Es scheitert immer wieder an vermeintlich lösbaren Problemen“, sagt Silvia Eggenweiler, Partnerin Life Sciences bei Odgers Berndtson. „Die Frauen springen ab, weil sie sich den Job nicht zutrauen, sich selbst zu sehr hinterfragen, oder weil das Umfeld zu männerdominiert ist.“
Christine Kronenberg, geschäftsführende Inhaberin des Beratungsunternehmens FEMALE RESSOURCES, kommentiert im Interview mit dem Portal Personalwirtschaft.de: “Frauen führen anders als Männer. Nicht besser, nicht schlechter. Meine Beobachtung ist allerdings, dass ihnen Führungsfehler weniger verziehen werden. Frauen werden kritischer beobachtet und strenger benotet.”
Die Expertin erlebt Männer zielorientierter und Frauen verlaufsorientierter. “Weiblichen Führungskräften ist neben einem guten Ergebnis auch wichtig, dass der Prozess zum Ziel gut läuft, dass alle motiviert sind und dabeibleiben. Ich beobachte zudem oft, dass Frauen ganzheitlicher führen und beispielsweise die aktuelle Lebenssituation oder Verfassung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Blick haben. Was ihre Arbeitsweise angeht, stelle ich fest, dass Frauen viel detail- und qualitätsorientierter sind. Bei ausgeprägtem Perfektionismus verlieren sie dann oft den strategischen Blick auf die eigene Karriere.”
Wie können Unternehmen die Chancengleichheit fördern?
Unternehmen sollten nicht nur aus gesellschaftlichen Gründen auf Ausgewogenheit bei Ihren Mitarbeitenden achten – auch der Unternehmenserfolg durch mehr weibliche Führungskräfte positiv beeinflusst. McKinsey veröffentlichte im Jahr 2020 eine Studie, in der aufgezeigt wurde, dass Unternehmen mit einem Frauenanteil von mehr als 30 Prozent in der Führungsebene mit größerer Wahrscheinlichkeit besser abschneiden als Unternehmen mit einem geringeren Frauenanteil im Management.
Frauen handeln oft stärker teamorientiert und binden bei der Entwicklung von Lösungen die operativen Ebenen stärker mit ein. Sie erzielen damit Lösungen, die eher von der Belegschaft mitgetragen werden. Auch ist gerade in der Fitnessbranche, die sich durch einen hohen Anteil an Frauen sowohl auf Kunden- als auch auf Seite der Mitarbeitenden auszeichnet, die weibliche Perspektive bei Entscheidungen sehr wichtig.
„Im Gegensatz zu genderblinden haben genderbasierte Unternehmen den Blick auf die Stärken von Frauen und Männern in der Organisation, auf ihre Rollen, Lebensphasen und ihre Potenziale. Bei der Ausrichtung auf die individuellen Merkmale und auf die spezifischen Verhaltensregeln von männlichen und weiblichen Beschäftigten sollten alle Führungskräfte über Genderkompetenz verfügen. Dieses Wissen führt zum Wandel in der Unternehmenskultur, in der Struktur und zeigt sich in allen Aktivitäten. Nicht nur in der Personalentwicklung, sondern auch in operativen Prozessen”, so Expertin Kronenberg.
Networking als Karrierebooster
Der enorme Mehrwert von Netzwerken im Business Kontext ist unumstritten. Trotzdem belegt eine Studie von McKinsey, dass Frauen weniger Netzwerke nutzen als Männer. Dabei kann ein Netzwerk Türen zu neuen beruflichen Gelegenheiten öffnen, da viele Jobs heutzutage über persönliche Empfehlungen oder Beziehungen vergeben werden. Zudem bietet es Möglichkeiten zum Wissensaustausch und zur Erweiterung des eigenen Fachwissens und kann eine wertvolle Quelle für Ressourcen, Informationen und Unterstützung in schwierigen Zeiten sein. Hinzu kommt die Möglichkeit,
von den Erfahrungen und Fähigkeiten anderer zu lernen und so die eigene berufliche Entwicklung voranzutreiben.
Gezieltes Frauennetzwerk
Die Karrieremöglichkeiten von Frauen durch ein gezieltes weibliches Netzwerk zu fördern ist Ziel der „Women in Fitness Association“ (WIFA). Die vor sechs Jahren in den USA gegründete Organisation bietet ein weltweites Netzwerk von Frauen aus der Fitness-, Wellness- und Gesundheitsbranche an. Die Gründerinnen und Mitglieder sind überzeugt von dem Grundsatz, dass Frauen gemeinsam mehr erreichen können als alleine und verfolgen das langfristige Ziel, Frauen durch die Unterstützung anderer Frauen beruflich und persönlich zu fördern. Dieser Spirit wurde im Jahr 2020 auch nach Deutschland gebracht und macht sich durch eine wachsende deutsche Community bemerkbar.
Die aktuell über 100 weiblichen Mitglieder, darunter viele Clubbetreiberinnen, Trainerinnen und Mitarbeiterinnen in der Fitnessindustrie schätzen es, Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und sich durch den regelmäßigen Austausch gegenseitig zu fördern.
Zu den Mitgliedern der Community gehören zum Beispiel Magdalena Jäger, Geschäftsführerin Sports & Spa Hannover, Luise Walther, Performance Coach Expertin für Neurozentriertes Training, Franziska Müller, PR & Communication Manager Urban Sports Club, Theresia Staps, General Manager David Lloyd Meridian Berlin-Spandau und Julia Ruch, Anwältin für die Fitness- und Gesundheitsbranche aktivKANZLEI.
Neben dem inhaltlichen Austausch zur Branche nutzen die Mitglieder die WIFA als Plattform, um Synergien entstehen zu lassen, gemeinsame Projekte anzustoßen und von- und miteinander zu lernen.
“Durch die WIFA habe ich bereits viele neue „Branchenfreundinnen“ gewonnen. Das WIFA-Netzwerk hilft mir, mich mit potenziellen Partnern zu verbinden und im Austausch zu bleiben.”
Sabrina Sonnenberg, Business Development Managerin DACH bei MYZONE
Auch bietet die WIFA die Möglichkeit, offene Stellen über das Netzwerk zu teilen oder potentielle Kandidatinnen für vakante Positionen zu finden. Die persönliche, ehrliche Unterstützung untereinander steht im Netzwerk immer im Fokus. Durch das Berichten von eigenen Erfahrungen und der Weitergabe von hilfreichen Tipps profitieren alle anderen Mitglieder und werden ermuntert, fachlich und persönlich zu wachsen und sich auch selbstbewusster nach außen zu zeigen. Zudem wirken die Frauen, die bereits Führungspositionen innehaben, als Vorbild für jüngere Mitglieder.
Fazit: Noch Luft nach oben
Rund 50 Prozent der Studiomitglieder und potenziellen Kunden ist weiblich. Da die Belegschaft auf allen Ebenen ein Spiegelbild der Kundschaft sein sollte, würde die Fitnessbranche mit Sicherheit von einem höheren Frauenanteil bei den Führungskräften profitieren. Zudem wäre es in den Zeiten des Fachkräftemangels betriebswirtschaftlich fahrlässig, nicht auf die Expertise talentierter und qualifizierter Frauen zu setzen – auch in der Führungsebene.
Handlungsbedarf besteht aber auch bei der Politik hinsichtlich besserer Unterstützung der Familien. Und Frauen selbst müssen auch ihren Beitrag leisten und lernen, gezielter zu Netzwerken, von erfolgreichen Frauen und Männern zu lernen und sich selbstbewusster zu präsentieren.
INFO: WIFA
Die Community ist für jede Frau aus der Branche kostenfrei und unverbindlich zugänglich.
Das nächste Vor-Ort-Event findet in Köln am 12.Oktober statt. Gestartet wird mit einer gemeinsamen Sporteinheit. Es folgt ein inspirierenden Vortrag von Magdalena Jäger, Geschäftsführerin der zwei großen Sports & Spa Hannover, bei unserem Partner, der Deutschen Sportakademie. Anschließend steht Zeit zum Netzwerken und Spaß haben auf dem Programm.
Infos und Anmeldung unter wifa.org/wifad
Inhaltlich unterstützt hat uns Maike Kumstel
Maike Kumstel ist Head of Global Enterprise Relations bei der Sport Alliance und leidenschaftliche Initiatorin der deutschen Women in Fitness Association (WIFA) Community, die Frauen zusammenbringt, um sich gegenseitig im Business Umfeld zu unterstützen. Ziel der WIFA ist es zudem, dem Thema Geschlechtergleichheit in der Fitnessbranche mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Autor
Jennifer Josl
Gastautorin Freie Fachredakteurin
‹ Zurück
Coming soon!